Auf dem Julierpass
Leseprobe aus „Jürg Jenatsch“ von Conrad Ferdinand Meyer
Lückentext
dem der des Gebell grünliches hatte hervor konnte nach und verschwand vom von westlichen zwei
Die Mittagssonne stand über der kahlen, von Felshäuptern umragten Höhe des
Julierpasses im Lande Bünden. Die Steinwände brannten und schimmerten unter
den stechenden senkrechten Strahlen. Zuweilen, wenn eine geballte Wetterwolke
emporquoll
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vorüberzog, schienen die Bergmauern näher heranzutreten
und, die Landschaft verengend, schroff und unheimlich zusammenzurücken. Die
wenigen zwischen den Felszacken herniederhangenden Schneeflecke und Gletscherzungen
leuchteten bald grell auf, bald wichen sie zurück in
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Dunkel.
Es drückte eine schwüle Stille, nur das niedrige Geflatter der Steinlerche
regte sich zwischen den nackten Blöcken und von Zeit zu Zeit durchdrang der
scharfe Pfiff eines Murmeltiers die Einöde.
In
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Mitte der sich dehnenden Passhöhe standen rechts und links vom Saumpfade
zwei abgebrochene Säulen, die der Zeit schon länger als ein Jahrtausend
trotzen mochten. In dem durch die Verwitterung beckenförmig ausgehöhlten Bruche
dem
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einen Säulenstumpfes hatte sich Regenwasser gesammelt. Ein Vogel
hüpfte auf dem Rande hin und her und nippte von dem klaren Himmelswasser.
Jetzt erscholl aus der Ferne, vom Echo wiederholt und verhöhnt, das
dem
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eines
Hundes. Hoch oben an dem stellenweise grasbewachsenen Hange hatte ein
Bergamaskerhirt im Mittagsschlafe gelegen. Nun sprang er auf, zog seinen
Mantel fest um die Schultern und warf sich in kühnen Schwüngen
dem
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einem vorragenden
Felsturme hinunter zur Einholung seiner Schafherde, die sich in weissen
beweglichen Punkten nach der Tiefe hin verlor. Einer seiner zottigen Hunde setzte
ihm nach, der andere, vielleicht ein altes Tier,
dem
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seinem Herrn nicht folgen.
Er stand auf einem Vorsprunge und winselte hilflos.
Und immer schwüler und stiller glühte der Mittag. Die Sonne rückte vorwärts und
die Wolken zogen.
Am Fusse einer schwarzen
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Gletscherwasser befeuchteten Felswand rieselten
die geräuschlos sich herunterziehenden Silberfäden in das Becken eines kleinen
Sees zusammen. Gigantische, seltsam geformte Felsblöcke umfassten das reinli-
che, bis auf den Grund durchsichtige Wasser. Nur an
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einen flachern Ende,
wo es, talwärts abfliessend, sich in einem Stücke saftig grünen Rasens verlor,
war sein Spiegel von der Höhe des Saumpfades aus sichtbar. An dieser grünen
Stelle erschien jetzt und
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wieder der braune Kopf einer grasenden
Stute und nach einer Weile weideten zwei Pferde behaglich auf dem Rasenflecke
und ein drittes schlürfte die kalte Flut.
Endlich tauchte ein Wanderer auf. Aus der
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Talschlucht heransteigend,
folgte er den Windungen des Saumpfades und näherte sich der Passhöhe. Ein
Bergbewohner, ein wettergebräunter Gesell war es nicht. Er trug städtische
Tracht, und was er auf sein Felleisen geschnallt
dem
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westlichen
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, schien ein leichter Ratsdegen
und ein Ratsherrenmäntelchen zu sein. Dennoch schritt er jugendlich elastisch
bergan und schaute sich mit schnellen klugen Blicken in der ihm fremdartigen
Bergwelt um.
Jetzt erreichte er die
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römischen Säulen. Hier entledigte er sich seines Ränzchens,
lehnte es an den Fuss der einen Säule, wischte sich den Schweiss mit seinem
saubern Taschentuche vom Angesicht und entdeckte nun in der Höhlung
dem
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andern den kleinen Wasserbehälter. Darin erfrischte er sich Stirn und Hände,
dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete mit ehrfurchtsvoller Neugier
sein antikes Waschbecken. Schnell bedacht zog er eine lederne Brieftasche
dem
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und begann eifrig die beiden ehrwürdigen Trümmer auf ein weisses Blatt zu
zeichnen. Nach einer Weile betrachtete er seiner Hände Werk mit Befriedigung,
legte das aufgeschlagene Büchlein sorgfältig auf sein Felleisen, griff
dem
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seinem Stocke, woran die Zeichen verschiedener Masse eingekerbt waren, liess
sich auf ein Knie nieder und nahm mit Genauigkeit das Mass der merkwürdigen
Säulen.
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