Einsatz des SpeedReaders im Unterricht

Erst durch das Lesen lernt man, wieviel man ungelesen lassen kann.

Wilhelm Raabe.

Im Unterricht kann der SpeedReader auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Einige Möglichkeiten sollen hier vorgestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

Bedienung

Anwendungen im Unterricht

Experimente mit dem SpeedReader

Bedienung

Der SpeedReader ist in zwei Bereiche gegliedert. Im oberen Teil wird der zu lesende Text wortweise angezeigt, im unteren Teil können die Einstellungen vorgenommen werden.

Hauptansicht SpeedReader

Für einen ersten Probedurchgang kann der SpedReader mit dem vorgegebenen Text verwendet werden. 

Der eigentliche Lesevorgang wird mit dem "Start"-Knopf gestartet. Sobald das Programm läuft kann das Programm mit dem "Ende"-Knopf beendet werden. Wird nur eine Unterbrechung des Lesevorgangs gewünscht, hält der "Pause"-Knopf das Anzeigen der Wörter an. Mit dem "Weiter"-Knopf wird der Lesevorgang wieder aufgenommen.

Bedienungsfeld des SpeedReaders

Mit den Knöpfen "schneller" oder "langsamer" kann die Lesegeschwindigkeit angepasst werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Lesegeschwindigkeit im Millisekunden (ms) auch direkt in das entsprechende Eingabefeld zu schreiben.

Im Feld Wörter wird angezeigt, wie viele Wörter des gesamten Textes schon angezeigt worden sind.

Das grosse Textfeld zwischen den Bedienungselementen dient der Eingabe von eigenen Texten. Diese werden am einfachsten aus einer Textverarbeitung oder einem ähnlichen Programm kopiert und mittels der Tastenkombination Ctrl-V in den SpeedReader eingefügt. Anschliessend kann das Programm wie oben beschrieben gestartet werden.

Anwendungen im Unterricht

Im Unterricht kann der SpeedReader als Experimentiergrundlage eingesetzt werden oder zum Lesen von Texten.

Für das Lesen von Texten lohnt es sich, zuerst festzustellen, welche Lesegeschwindigkeit für Schülerinnen und Schüler angenehm ist. Dies geschieht einfach mit einem Probetext (Märchen: Das Wasser des Lebens oder Die blaue Blume von Novalis), bei dem die Lesegeschwindigkeit über die Knöpfe "schneller" oder "langsamer" entsprechend angepasst wird.

Die Lesegeschwindigkeit ist individuell stark verschieden und alters-, respektive erfahrungsabhängig. Mit Schülerinnen und Schülern der Primarstufe kann die notwendige Wartezeit zwischen einzelnen Wörter ohne weiteres 1000 oder mehr Millisekunden betragen.

Für altere Schülerinnen und Schüler genügt eine Wartezeit von 300 oder weniger Millisekunden. Sehr gute Leserinnen und Leser können den Wert auf unter 200 ms senken. Ab etwa einem Wert von 50 Millisekunden wird eine Grenze erreicht, bei der unterschiedliche Wörter sich scheinbar überdecken, das Auge ist dann nicht mehr in der Lage, einzelne Wörter voneinander zu differenzieren.

Ist die ideale Lesegeschwindigkeit gefunden, kann mit dem eigentlichen Text gestartet werden. Dabei kann entweder auf eine vorgegebene Übung zugegriffen werden, oder die Schülerinnen und Schüler lassen den SpeedReader einen individuellen Text (mittels Kopieren und Einfügen) anzeigen.

Der Vorteil des SpeedReaders liegt darin, dass damit ein schrittweise schnelleres Lesen eingeübt werden kann. Zusätzlich entspricht der schnelle Wortwechsel Sehgewohnheiten, welche Schülerinnen und Schülern vom Fernsehen bereits bestens bekannt sind. Dieser optische Wechsel unterstützt die Konzentration der Lesenden auf den Text. Ein Abschweifen davon bedarf einer willentlichen Anstrengung.

Experimente mit dem SpeedReader

Nebst dem Lesen des Textes eignet sich der SpeedReader auch für eine Reihe von Experimenten, welche Schülerinnen und Schüler teilweise eigenständig, teilweise unter Anleitung durchführen können. 

Insbesondere im Zusammenhang mit einer statistischen Auswertung von erhobenen Daten sind dabei Ansätze möglich, die auch Untersuchungen mit potentiell neuen Erkenntnissen ermöglichen.

Beobachtungsaufgabe: Lesen eines Textes

Als Einstieg in eine mögliche Versuchsreihe, aber auch als Einzelexperiment eignet sich die Beobachtung von Lesenden, welche mit dem SpeedReader arbeiten. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei den Augenbewegungen und den Mund- und Lippenbewegungen der Versuchsperson gelten.

Welche Augenbewegungen sind bemerkbar? Wie hängen diese von der eingestellten Lesegeschwindigkeit ab? 

Bewegen Versuchspersonen während dem Lesen ihre Lippen? Was könnte der Grund dafür sein?

Messung der Lesegeschwindigkeit

Mit dem SpeedReader kann die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit gemessen werden. Dazu wird die Lesegeschwindigkeit mit den Knöpfen "schneller" oder "langsamer" so lange verändert, bis sie als angenehm empfunden wird.

Die dabei angezeigte Zahl gibt die vom Computer eingelegte Pause zwischen zwei Wörtern in Millisekunden an. Da für das Anzeigen der Wörter selbst auch Zeit benötigt wird, handelt es sich nur um einen Näherungswert.

Für eine exakte Bestimmung muss die von Computer benötigte Zeit gemessen werden. Dies geschieht vorzugsweise mit dem zu prüfenden Lesetext, indem die Wartezeit auf 0 gesetzt wird. Auf diese Weise kann mittels einer Stoppuhr die Laufzeit ermittelt werden. Die gemessene Zeit wird durch die Anzahl Wörter geteilt und der ermittelte Wert zur eingegeben Laufzeit addiert.

Beispiel:

Ein Text mit 500 Wörtern benötigt auf einem Computer 5 Sekunden, wenn die Wartezeit auf 0 gesetzt wird. Die vom Computer benötigte Zeit beläuft sich also auf 5 s/ 500 Wörter, d.h. 10 ms pro Wort.

Da verschiedene Computer unterschiedlich schnell laufen, müssen ander Geräte wieder neu "geeicht" werden.

Lesegeschwindigkeit und inhaltliches Verständnis

Sobald die Lesegeschwindigkeit bestimmbar ist, kann untersucht werden, ob die Lesegeschwindigkeit einen Einfluss auf das inhaltliche Verständnis hat. Dabei gilt zu beobachten, dass verschiedene Personen deshalb unterschiedlich schnell lesen, weil sie dies unterschiedlich gut können, d.h. es ist zu erwarten, dass "Schnellleser" ein besseres inhaltliches Verständnis aufweisen.

Es lohnt sich deshalb in einer ersten Versuchsreihe, die gleiche Versuchsperson mit unterschiedlichen Texten zu testen, welche durch den SpeedReader verschieden schnell angezeigt werden. Stehen mehrere Versuchspersonen zu Verfügung sollte die Reihenfolge der Texte und ihre Abspielgeschwindigkeit systematisch variiert werden.

Beispiel

  Person 1 Person 2 Person 3
Text 1 1: langsam 2: schnell 3: mittel
Text 2 2: mittel 3: langsam 1: schnell
Text 3 3: schnell 1: mittel 2: langsam

Mit einer solchen Anordnung können Gewohnheitseffekte und zufällige Unterschiede in der Textschwierigkeit vermindert werden.

Je mehr Personen an einem solchen Versuch teilnehmen und je vielfältiger die Texte sind, desto aussagekräftiger können mögliche Resultate ausfallen. Bei grossen Versuchsgruppen sind zudem erweitere Fragestellungen möglich: Wie unterscheiden sich die Ergebnisse abhängig vom Alter oder vom Geschlecht? Spielt es eine Rolle, wie viel eine Versuchsperson in ihrer Freizeit (oder insgesamt) liest?

Verwendung verschiedener Zeitformeln für lange Wörter

Liegt der Schwerpunkt von Untersuchungen mehr auf der Effizienz des SpeedReaders und weniger auf der individuellen Lesefähigkeit, können unterschiedliche Formeln für Einzelworte angewandt werden. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Verarbeitung unterschiedlich langer Wörter, d.h. Wörter mit unterschiedlicher Buchstabenzahl.

Der SpeedReader erlaubt dazu die Verwendung einfacher Formeln anstelle eines Fixwertes. Einige mögliche Beispiele sollen hier angegeben werden, zusätzliche Formeln sollen der Fantasie der Versuchsleitung überlassen werden:

Die Variable, mit der auf die Wortlänge zugegriffen werden kann, ist das kleine "l" (l = Länge).

Achtung: Das Verändern der Formel während SpeedReader einen Text anzeigt, kann zu einer Fehlermeldung oder dem Abbruch des Programmes führen. Die Eingabe der Formel solle also vor dem Start der Textanzeige erfolgen oder wenn der SpeedReader pausiert.

Weitere interessante mathematische Funktionen sind:

Mit sinnvollen Kombination dieser Funktionen können unterschiedlichste Anzeigeverhalten untersucht werden. Im Sinne eines Wettbewerbs könnte nach der "besten" Formel gesucht werden.

Lesevergleich Papier, Computer, SpeedReader

In einer weiteren interessanten Versuchsreihe kann das Lesen mit Hilfe des SpeedReaders mit traditionellen Lesemethoden wie dem Lesen auf Papier oder dem Lesen am Bildschirm verglichen werden.

Wer häufig Texte am Bildschirm liest, weiss, dies ist anstrengender als das Lesen von Papier, benötigt mehr Zeit und es wird weniger Information aufgenommen. Kann der SpeedReader solche Effekte ausgleichen oder führt er gar zu einem effizienteren Leseverhalten?

Einerseits können Versuche mit Einzelpersonen zeigen, inwieweit diese auf unterschiedliche Darstellungen von Text reagieren, andererseits sind mit grösseren Versuchsgruppen auch allgemeine Aussagen möglich.

Damit die Versuche zwischen unterschiedlichen Gruppen vergleichbar sind, sollten zumindestens folgende Informationen zum Versuch festgehalten werden:

Selbstverständlich gehören auch eine Beschreibung des Versuchsdesigns (des Versuchsablaufs) und die Anzahl der Versuchspersonen in die Versuchsbeschreibung.

Rolle kurzer Wörter für das Textverständnis

Eine weitere interessante Fragestellung ist die Rolle kurzer Wörter für das Textverständnis. Kurze Wörter kommen in jedem Text beispielsweise in der Form der Artikel "der", "die", "das" oder der Konjunktion "und" besonders häufig vor. Aber wie wichtig sind solche Wörter für das Textverständnis?

Mit dem SpeedReader ist es möglich, solche Wörter nur sehr kurz anzuzeigen und damit gezielt Untersuchungen anzustellen. Zu diesem Zweck dient der Befehl flat(n).

flat(n) setzt die Wartezeit für alle Wörter mit n oder weniger Buchstaben auf Null.

Der Befehl kann beliebig mit anderen mathematischen Ausdrücken verwendet werden.

Erweiterung des Programmes

Noch weitergehende Veränderungen sind möglich, indem direkt in den Quelltext der Webseite, d.h. in deren JavaScript-Teil eingegriffen wird. Dazu sind Programmierkenntnisse in JavaScript notwendig. Für interessierte Schülerinnen und Schüler ist dies jedoch sicher eine reizvolle Aufgabe.

Kommentare, Anregungen und Korrekturan an mattgig@freesurf.ch sind willkommen.

Matthias Giger, Dezember 2007 (Update: 08.12.2007)
www.gigers.com