7. Ein unwissenschaftliches Nachwort

Dieses Nachwort behandelt das Thema Malaria aus meiner persönlichen Sichtweise und besitzt in diesem Sinne keinen wissenschaftlichen Wert. Falls Sie an der Malaria nur rein theoretisch interessiert sind, brauchen Sie das Nachwort also nicht zu lesen.

Im Rahmen einer Sekundarlehrerausbildung eine Arbeit über Malaria zu schreiben mag eine Sache sein, ob nun deren Endergebnis zur Zufriedenheit aller ausgefallen sei oder nicht. Eine ganz andere Sache ist es, sich mit einer sechsmonatigen Tochter in ein Land zu begeben, in dem die Malaria weit verbreitet ist und täglich ihre Opfer fordert. In ein Land, in dem verschiedene für uns völlig alltägliche Dinge, wie Elektrizität und fliessendes Wasser, für viele Menschen noch längst keine Selbstverständlichkeit sind. Ein Land, in dem das durchschnittliche Einkommen rund 400 US$ pro Kopf und Jahr beträgt. Wenn einem dann in einer solchen Situation ein Kind zu Gesicht kommt, dass wegen Krankheit nur noch wimmert, und dieses Kind ansonsten ein lebensfrohes Kind ist, über dessen gemeinsames Lachen zusammen mit der eigenen gleichaltrigen Tochter man sich so manche Tage erfreut hat, dann kann man nicht anders als mit Betroffenheit reagieren.

Fragt man die Mutter nach dem Krankheitsverlauf des Kindes, wird sie einem erzählen, das Kind leide an Fieberschüben, fühle sich abwechselnd warm und kalt an. Vielleicht handelt es sich um Malaria, vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall wird das von der Mutter ersuchte Paracetamol die Krankheit nicht kurieren, höchstens das Fieber lindern.

Was also tun? Sich über das Leid in dieser Welt und das grausame Schicksal der Kinder vom Lande in Afrika den Kopf zerbrechen? Gewiss nicht! Aller Gram dieser Welt wird diese eine, leidende Kind nicht wieder gesunden lassen. Das Kind muss ins Spital, wo der Ursache seiner Erkrankung — Malaria, wie das Laboratorium feststellt — auf den Grund gegangen werden kann und die entsprechende Behandlung eingeleitet werden wird. Gedacht, nach zwei Stunden getan. Die Mutter verfügt nun über die benötigten Medikamente und zusätzlich über Vitamintropfen um das kranke Kind wieder erstarken zu lassen.

Auf diese Weise konnte das kleine Mädchen rasch und ohne weiteren Probleme kuriert und zusätzlich gestärkt werden. Für einen Betrag von umgerechnet 8.85 SFr. Ein Betrag allerdings, für den die Mutter einen ganzen Monat lang, viermal die Woche einen Vormittag hart arbeiten muss, und sich dabei noch glücklich schätzt, derart viel zu verdienen. Ein Betrag auch, den die Mutter kaum einfach so hätte zahlen können, und der sie vielleicht dazu verleitet hätte, den Spitalbesuch hinauszuzögern, bis sich die Malaria zu einem Stadium hin verschlimmert hätte, zu dessen Heilung ein paar Tropfen Chloroquinlösung nicht mehr ausgereicht hätten.

Wie bei diesem zweiten Mädchen, ebenfalls ein Kleinkind, dessen Vater zwar über die notwendigen Mittel aus dem Verkauf von Geflügel verfügt, diese aber nicht für die Tochter seiner Zweitfrau verschwenden mochte.

Wir erfuhren von diesem Kind, weil die Mutter bei uns nach sauberem Wasser für ihr kleines Kind bat, das erbreche und an Durchfall leide. Auf Drängen meiner Frau wurde uns das Kind gezeigt. Das Mädchen bot einen Anblick, der bei uns am Fernsehen das Bild von Afrika prägt: Bis auf die Knochen abgemagert, starrte das Kind mit beinahe reglosen geweiteten Augen irgendwo ins Leere.

Auf dem Weg ins Spital fiel das Mädchen ins Koma und wurde beim Erreichen der Klinik sofort an eine Infusion gehängt. Erst nach Stunden zeigte sich eine Besserung der durch eine Kombination von Durchfall und Malaria bewirkten Schwäche.

Die Krankenschwestern teilten uns später mit, das Mädchen wäre wahrscheinlich noch am gleichen Tag gestorben, hätten wir es nicht zusammen mit der völlig verzweifelten Mutter ins Spital gebracht. Diese hatte noch am Vortag vergeblich versucht, den von ihr produzierten Shernut-Butter auf dem Markt zu verkaufen, um ihrem Kind die nötige Pflege zukommen zu lassen.

Durch diese Vorfälle wurde die hier vorliegende Arbeit zur Malaria aus einer theoretischen Beschäftigung zu mehr als einem blossen Zeitvertreib oder reiner Pflichterfüllung, sie hat in sich ihre ganz spezielle und äusserst befriedigende Erfüllung erhalten.

Bleibt zu sagen, dass diese beiden Mädchen keine Einzelfälle sind und nicht alle Kinder das Glück haben, eine rechtzeitige Behandlung, wenn vielleicht auch sogar in letzer Minute erfolgend, zu erhalten. — Das Mädchen, welches ins Spital eingeliefert werden musste, ist anfangs Oktober an Cholera gestorben — Gewiss ist in vielen Fällen die Unvernunft der Eltern mit ein Grund für einen unnötigen Tod, zumeist aber ist er die Folge weitverbreiteter Armut und unserer noblen Zurückhaltung, die uns die Augen vor den Lebensumständen und oft auch der Not so vieler Menschen verschliessen lässt.

Persönlich hoffe ich, mit dieser Arbeit mindestens dazu beigetragen zu haben, einen Teil unserer Ignoranz gegenüber dem durch die Malaria verursachtem Leiden abzubauen. Einer Krankheit, die täglich und so unspektakulär tötet und leiden lässt, dass sie kaum je in unser Bewusstsein dringt.

Falls Sie etwas gegen das durch die Malaria verursachte, oft unnötige Leiden tun möchten, wenden Sie sich an eine Organisation wie UNICEF oder schreiben Sie mir unter mattgig@freesurf.ch.

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Fragen, Anregungen oder Korrekturanmerkungen an mattgig@freesurf.ch sind willkommen.

Matthias Giger, Oktober 1999 (Update: 15.02.2002)